Und ich flüstere es gern nochmal in die Runde: Wer mich zum Thema Kulturelle Friedensbrücken ausführlicher erzählen und argumentieren sehen möchte, der findet über die Buchläden seines Vertrauens oder auf www.eisbrenner.de „Das Lied vom Frieden“, „Hinterland“ und „Shuravli – Kraniche“, sowie Konzerttermine als Möglichkeit von Begegnung und poetischem Bündnis für einen Ausstieg aus der Eskalationsspirale!
Aber nochmal zurück nach Moskau und zu jenem Tag und Event, die Grundlage meiner Reise waren. Zwei ehemalige Kommilitonen des MEI (Moskauer Energetscheski Institut), Uwe Durak (DDR) und Wladimir Fadejew (UdSSR), veröffentlichen fünfzig Jahre danach ein deutsch-russisches Buch mit deutschen Friedensgedichten bzw. Songtexten von Goethe, Schiller, Rilke, Brecht… bis König, Fischer-Rodrian und Eisbrenner… „Die Augen von Anna“. Lasst uns nie wieder zu Feinden werden, ist Wunsch, den die beiden mit diesem Projekt formulieren und für die Präsentationsveranstaltung dazu haben sie sich und mich in dem inzwischen siebzig Jahre alten Kulturhaus des Institutes verabredet, in dessen Treppenaufgang noch Lenin steht und Bilder an den Wänden an die Anfangszeiten erinnern. Der Saal ist riesig, wie es sich für einen sowjetischen Kultursaal gehört, denn wir erinnern uns: Kultur stand und steht dort im Grundgesetz. Teilhabe für alle. Staatlich subventioniert… Die spinnen doch, die Russen!
Das Publikum strömt herbei, obwohl die beiden ehemaligen Atomphysikstudenten keine Profis im Veranstaltungsbereich sind und so ihre Schwierigkeiten bei der Bewerbung der VA hatten – zumal einer der Beiden ja bis vorige Woche noch in Greifswald hockte. Der Eintritt ist frei (die beiden Enthusiasten haben alles aus eigener Tasche bezahlt und auch ich bekomme nur meine Kosten erstattet), die Bücher werden natürlich verkauft… Vorn auf der Bühne gibt es rechts meinen Arbeitsplatz, den ich für 2×4 Lieder besetze. Links steht ein Tisch, an dem die Beiden reden und lesen und zwischen ihnen sitzt Nastja, die Dolmetscherin. Reden auch von Anderen: Der Klubhausleiter, der Chef des Schriftstellerverbandes und jemand vom Verband der Russlanddeutschen. Bei Letzterem und auch sonst in Russland fällt mir eine, sagen wir mal, unbekümmerte Nähe zur AfD auf, die mich inzwischen nicht mehr erschreckt, weil ich sie mir erklären kann, die mir aber trotzdem Sorgen bereitet. Natürlich, die AfD, das wissen wir, ist in Deutschland die lauteste Stimme gegen staatlich verordneten Irrsinn (mindestens seit Corona) und für Frieden mit Russland. Wenn die Russen in den letzten zehn Jahren offizielle deutsche Delegationen zu Gesicht bekamen, dann waren die zunehmend mindestens AfD-getränkt oder gleich ganz AfD, während die Delegationen der LINKEN kleiner, vorsichtiger und unauffälliger wurden, weil man sich innerhalb der LINKEN über den Umgang mit Russland leider immer weniger einigen konnte. Das mag manch einem verständlich sein, ich deklariere das als Anpassung an ein System und eine Politik, denen man doch von links eigentlich entschlossen entgegentreten wollte. Und dieses System mit seiner Politik hat nie Vergleichbares gegen die vielen Kriege der USA unternommen, wie es jetzt gegen den einen Krieg Russlands versucht und sich in immer neuen Maßnahmen und seinem Eigenlob darüber suhlt, ohne merken zu wollen, wie sehr es davon selbst bereits stinkt. Und es treibt die eigenen Völker in die nächste Apokalypse!!
Aber zurück zur AfD. Frieden mit Russland, klar. Das könnte uns alle retten. Warum aber misstraue ich dieser Parole? Erstens durch Höcke und Co. Und ich lasse kein Interview oder tieferes Gespräch in Russland aus, mindestens darauf aufmerksam zu machen, dass es widersprüchlich ist, in der Ukraine für Entnazifizierung zu kämpfen aber die deutsche AfD für Verbündete zu halten. Warum hat die friedliebende AfD die Reaktivierung der Wehrpflicht in ihrem Programm? Ich habe regelrecht Angst davor, dass wir Deutschen in zwei Jahren die Ampel abwählen, um endlich einen Schlussstrich unter den Irrsinn zu setzen und stattdessen CDU und AfD die stärksten Kräfte in Klugdeutschland werden. Dann haben wir den gegen Russland keifenden Merz, den russophoben Röttgen und den Kiesewetter, der „den Krieg nach Russland tragen“ möchte und dazu die Wehrpflicht in Deutschland. Und was, wenn die AfD dann den Schafspelz ablegen sollte?? – ist nur eine Verschwörungstheorie aber wir haben bei den Grünen erlebt, wie leicht das so kommen kann. Die Russen horchen in solchen Momenten immer sehr auf und auch meine deutschen Freunde, die nach politischer Veränderung und dem Verlassen des Teufelskreises lechzen, fragen mich nach dem Aber-was-denn-dann? Und weil ich eigentlich gern sagen würde: „Weg mit dem Parteiensystem“ und gleichzeitig weiß, dass wir an dem Punkt noch nicht sind, antworte ich: „Im Moment muss man das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) unterstützen und wählen, weil es keines der aktuellen Probleme unter den Teppich fegt aber die dafür zu suchenden Lösungen nicht von rechts ansteuert. Und man kann berechtigt hoffen, dass auch das Ringen der LINKEN um Klarsicht und oppositionelle Haltung, längerfristig dadurch positiv beeinflusst werden wird, sodass die Kleinkriege aufhören und die humanistischen Grundwerte wieder zum Wichtigsten werden.“
Der Abend in Moskau endet mit Bankett. Nachdem ich zwei Interviews gegeben und auf vieler Leute Selfies platziert worden bin, betrete ich den Raum am Buffet und finde die Hälfte der Menschen angeheitert bis betrunken vor. Mit allen soll ich jetzt endlich trinken und reden. Auch im letzten Jahr gewonnene Freunde vom Festival „Doroga na Yaltu“ sind gekommen. Darunter der Franzose Daniel Fabrice, über den es in „Shuravli“ die Geschichte mit der Hose zu lesen gibt, und seine russische Frau. Ich schalte um auf Französisch, dann wieder auf Russisch und zurück. Irgendwann verziehe ich mich. Ich sehe die Festival-Gang einen Abend später wieder. Im Kremlpalast beim Konzert des italienischen Schlagerstars Pupo.
Fortsetzung folgt doch noch eine…