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Nach dem 2. Denkfest

18. November 2024 – Heute ist Sonntag! Naja nicht für alle, ich weiß. Aber ganz sicher für meine Freunde Andrea und Henry Marek, die Betreiber des Ferienpark Retgendorf und für mich selbst. Schließlich haben wir nicht nur gemeinsam auch das „II. Friedenstaub – Denkfest der Aktiven“ erdacht und organisiert, nö, wir waren auch von Freitagnachmittag bis Sonntagabend dauerhaft „auf Sendung“, um das Erdachte zur Zufriedenheit aller 200 Teilnehmer umzusetzen. Und wenn ich dem erklärenden Eigenlob noch eines hinzufügen darf: Es ging alles auf. Wer dabei war, erinnert sich an das I. Denkfest im März. Das hatte so eingeschlagen, dass man Angst davor bekommen konnte, sich noch im selben Jahr an das nächste ranzuwagen. Und würden dann auch nochmal genug Leute kommen, um die Kosten für alles zu decken und das Anreisen von all den Referenten und Künstlern nicht absurd erscheinen zu lassen? Tja, und nun bin ich wieder zu Hause auf meinem VIER WINDE HOF und merke, wie die Eindrücke dieses zweiten wundervollen Festes tröpfchenweise zu mir durchsickern. Schon am Freitagabend konnten wir so fundiert in das Thema DDR/BRD und alle Fragen, die sich heutzutage mehr und mehr im gesellschaftlichen Diskurs Deutschlands breit machen. Christa Luft und Klaus Koch brachten und ins Denken…

Am nächsten Morgen das Thema „China, eine Chance für die Welt“, aufbereitet mit einem fast dreistündigen Podiumsgespräch von vier Männern, die China auf unterschiedlichen Wegen kennen und schätzen gelernt haben. Frank Schumann (Verleger) moderierte und entlockte sich selbst, wie auch seinen Gesprächspartnern Egon Krenz, Uwe Behrens und Wolfram Adolphi so viel Interessantes über die Geschichte und Gegenwart von China, dass es Manchem von uns schwindlig wurde ob der Flut von eindrucksvoll gebracher Information…

Es ging Schlag auf Schlag an diesem Samstag. Nach dem Mittag ein Vortrag des Journalisten David Goeßmann, der sich dem Ukrainekrieg und dem in Gaza widmete und nicht nur mich in eine Achterbahnfahrt aus Zustimmung, Skepsis, innerem Widerspruch und wieder Zustimmung verwickelte. Schön aber, wie die „Denkfamilie“ den Moment der offenen Diskussion abwarten konnte, um auch kontrovers zu argumentieren und wie David sich darauf auch einlassen konnte, weil er merkte, dass wir nicht gegeneinander, sondern mit- und füreinander stritten… Dann Wolfgang Effenberger mit brillanten Geschichtsanalysen bis zurück ins 19. Jhd. Er wusste sehr genau zu begründen, warum die Friedensglocken jetzt dringend und a l l e zu läuten seien.

Und wie herzergreifend dann, als wir Laura von Wimmersperg (90), die Grande Dame der bundesdeutschen Friedensbewegung, hörten. Im Gespräch mit der Publizistin und Friedensaktivistin Christiane Reymann, Wolfgang Effenberger und mir (als Quoten-Ossi 🙂 ), erzählte sie uns über die Jahrzehnte Friedenskampf, seine Höhen und Tiefen, seine Stärken und Schwächen…

Abends der musikalische Sprung ins warme Wasser. Ich kenne Bertolt Karsten Troyke schon lange, ob aus der Ferne oder auch ganz nah. Aber einen zweistündigen Abend, nur wir beide zusammen auf der Bühne, uns selbst bei und miteinander von Lied zu Lied besser kennenlernend, das gab es noch nie. Und es war so brüderlich vertraut… Das Publikum ging voll mit und anschließend wollte man dieses Programm sogar gleich buchen. Welches Programm, fragten wir. Wir sind einfach zusammen in ein Boot geklettert und ein schönes Stück zusammen gerudert. Plaudernd, singend, den Mitreisenden und uns selbst seelisch Nahrung suchend…

Und darf ich mich noch an den Sonntag, das Gestern, erinnern.

Menschen wie Daniela Dahn gehören auf so ein Denkfest, das brauchte sie niemandem zu beweisen – hat sie aber. Hat uns ihre Gedanken aus dem neuen Buch „Schlaf der Vernunft“ vorgestellt. Anschließend wurde wieder gesprochen und wir kamen nochmal auf das Thema DDR zu sprechen. Sie hatte selbst die Tür dazu geöffnet und sie schenkte meiner Erinnerung einen Satz, den ich mir wegen seiner Treffsicherheit bis ans Ende meiner Tage von ihr borgen werde. Über die Besonderheit unserer Sozialisation sagte sie: „Die Zweitrangigkeit von Geld war unser Kapital.“ !!!

Ich hatte unser „II. Denkfest der Aktiven“ am Freitag mit zwei Liedern eröffnet und schloss den Kreis auch mit zwei Liedern am Sonntag.

Aber einen emotionalen Höhepunkt hatten wir uns noch aufgehoben. Der Maler Wolfgang Niemann hatte zwei Friedensbilder gemalt und uns zur Versteigerung gestiftet. Im März bei I. Denkfest hatten wir den Erlös von fast 3000€ für die Freilassung von J. Assange gespendet. Dieses Mal widmeten wir den Friedenspreis unseres Denkfestes zwei Menschen aus unserer Mitte, die seit Jahren in schier aufopferungsvoller Weise Friedensarbeit leisten und dabei so oft ihre letzten Cent investieren. Die Zweitrangigkeit von Geld ist ihr Kapital und dieses wohnt in ihren Herzen. Es war für uns alle so wundervoll, mal eine Gelegenheit zu haben, mit unseren Herzen und einer ansehnlichen ersteigerten Summe wenigsten einen Tropfen auf den heißen Stein zu schütten. Die Künstlerin und Friedensperformerin Ute Bella Donner war vollkommen perplex und ihr erster Gedanke typisch für sie – sie wollte gleich mit Anderen teilen. Haben wir ihr „verboten“. Und der Kameramann Alexej Stoljarow, gerade intensiv mit dem Bild seiner Aufzeichnungen für uns beschäftigt, brach, als ich seinen Namen ins Mikro sprach, direkt in Tränen aus. Und der halbe Saal heulte mit.

So waren wir miteinander an diesen drei Tagen. Mit unseren Befürchtungen, unserer Wut, unserem Denken, unseren Ideen, unserem Lachen und Singen, unserem Mut, den wir uns gegenseitig mit auf den Weg nach draußen gaben.

Herzlichen Dank allen, die geholfen haben und Dank für die Fotos von Anja Mewes und Jens Kulbatzki.